Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht
Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht
Am 30.12.2020 wurde das „Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht verkündet (BGBl. I, 3320).
Anders, als es zunächst wirken mag, gilt es nicht nur für Inkassounternehmen, sondern auch für die Rechtsanwaltschaft. Es ist Ziel des Gesetzgebers, vornehmlich bei standardisierten Zahlungsaufforderungen durch Inkassounternehmen oder durch Rechtsanwälte, den Schuldner vor zu hohen Bearbeitungskosten zu schützen. Die verfassungsrechtliche Gleichstellung von Anwälten und Inkassodienstleistern für die Beitreibung von Forderungsausfällen soll zudem nochmals unterstrichen werden.
Der Gesetzgeber regelt im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ein neues Gebührensystem für die Beitreibung von Außenstände, welches sowohl von Inkassounternehmen als auch von der Rechtsanwaltschaft zum 01.10.2021 zu beachten gilt:
Bei außergerichtlichen Inkassodienstleistungen mit einer unbestrittenen Forderung bis 50 € wird in § 13 Abs. 2 RVG n.F. eine neue Streitwertgruppe eingeführt, für die die 1,0 Ausgangsgebühr 30 € beträgt. Dies führt dazu, dass bei einer geringen Forderungshöhe nach dem neuen Gebührenrecht für die Inkassotätigkeit selbst nur knapp die halbe Gebühr gegenüber dem Schuldner – und bei Nichtzahlung gegenüber der Mandantschaft – abgerechnet werden darf.
Es folgt weiter die Einführung einer sog. „Schwellengebühr“ für unbestrittene Forderungen. Dieser wird nach Nr. 2300 VV RVG von 1,3 auf 0,9 gesenkt, wenn die Inkassodienstleistung nicht besonders umfangreich oder schwierig ist. Es wird dazu führen, dass die Gebühr für die Zahlungsaufforderung um ca. 30 % gesenkt wird.
Mit der Gebührensenkung will der Gesetzgeber erreichen, dass Forderungshöhe und Kosten der Inkassovergütung in einem solch angemessenen Verhältnis stehen, dass ein Schuldner das „Gesamtpaket“ akzeptiert und diesen zur Zahlung veranlasst. Der Gesetzgeber geht hierbei davon aus, dass die Mehrzahl der Inkassoschreiben standardmäßig bearbeitet werden und unter Zugrundelegung der internen Anwaltssoftware ohne große Bearbeitung versendet werden können, demnach Kosten und Arbeitseinsatz bislang überhöht waren. Hiervor gilt des, den Verbraucher zukünftig „zu schützen“.
Sicherlich schafft die Kostenregelung bei Kleinstforderungen gegenüber der Mandantschaft Klarheit, dass es sich lohnt, auch diese an einem Inkassounternehmen oder Anwalt abzugeben und nicht aufgrund der hohen Kosten der Forderungsbeitreibung standardmäßig auszubuchen.
Einen gebührenrechtlichen Einschnitt erfährt auch die Einigungsgebühr für den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung um fast die Hälfte. Hier berücksichtigt der Gesetzgeber nicht den hohen Aufwand einer umfassenden und individuell abgestimmten Vereinbarung mit den Schuldnern, damit die Ratenzahlungen auch durchgehalten werden und nicht nach zwei Raten weitere Zahlungen wegbrechen. Durch Klärung der Vermögens- und Familienverhältnisse und der aktuellen beruflichen Situation etc. wird eine Ratenzahlung so vereinbart, dass diese in einem akzeptablen zeitlichen Rahmen beendet, aber auch der Schuldner in der Lage sein wird, die regelmäßige monatlichen Ratenzahlungen einzuhalten. Hinzu kommt die Ausarbeitung der getroffenen Vereinbarung, die monatliche Überprüfung der fristgerechten Ratenzahlungen und der gelegentlichen schriftlichen oder telefonischen zügigen Anmahnung der nicht erfolgten Ratenzahlung hinzu. Nicht mehr möglich sein soll, mit dem Schuldner telefonisch Ratenzahlungen zu besprechen und ihm eine Vereinbarung zuzusenden, welche er unterschreibt.
Es soll sichergestellt werden, dass vor Abschluss einer Ratenvereinbarung Letzterer zuerst darauf hingewiesen wird, dass der Abschluss der Ratenvereinbarung gebührenpflichtig ist.
Dieser Hinweis muss auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden, so dass es dem Empfänger ermöglicht, eine an ihn gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, um diese jederzeit abzurufen.
Praktisch umgesetzt heißt dies nichts anderes: Der Schuldner soll nunmehr seine Mail-Adresse bekannt geben und diesem ist ein Hinweis zur Belehrung mit dem Verlust von Einreden und Einwendungen und den Kosten vorab zuzusenden. Erst danach kann die Ratenvereinbarung ausgehandelt werden.
Ob hier Rechtsdienstleister noch bereit sind, für den halben Gebührensatz weiter diese umfänglichen Leistungen zu erbringen, bleibt abzuwarten. Ihnen bleibt nichts anderes übrig als zu prüfen, welche Leistungen er wirtschaftlich für die zugestandene Vergütung (noch) erbringen kann.
Schlimmstenfalls werden dieser sich überlegen, direkt mögliche Pfändungen zu prüfen. Damit ist nunmehr jeder Schuldner dem Risiko ausgesetzt, dass ohne eine gütliche Einigung die Anzahl der Pfändungen erheblich zunehmen wird.
Auch fordert der Gesetzgeber mehr Informationspflichten, welche im Inkassoschreiben genannt werden müssen. Kontaktdaten des Auftraggebers, Vertragsart und Aufbau der Inkassokosten sind Pflichtangaben nach § 13 a Rechtsdienstleistungsgesetz; oftmals finde ich gerade beim Versandhandel verallgemeinerte lapidare Zahlungsaufforderungen ohne Rechnungsnummer- datum oder Erkennbarkeit der Zinsberechnung und einer unakzeptablem Inkassovergütung. Neu ist, dass auf jeder Zahlungsaufforderung nunmehr auch die elektronische Erreichbarkeit der Aufsichtsbehörde mit aufzuführen ist. Wir sind im elektronischen Zeitalter angekommen!
Fazit:
Meines Erachtens wird das Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes dazu führen, dass der „Run“ vieler Schuldner zur Verbraucherzentrale beendet wird. Auch die Verbraucherzentralen werden mit ihren Vorwürfen der „Abzocke“, „des Wuchers“ und der Verschmähung von Inkassounternehmen vorsichtig werden.
Das Gebührenrecht wird und wurde schon immer von seriösen Inkassounternehmen entsprechend des Rechtsanwaltsvergütungsgesetz herausgezogen. Das Kostenrecht definiert jede einzelne Tätigkeit. Diese sind damit hinreichend beleg- und überprüfbar.
Auch die Anwaltschaft zieht das Gebührenrecht heran. Warum deren Gebühren von den Verbraucherzentralen akzeptiert werden, aber ein Generalverdacht der überhöhten Gebühren immer und immer wieder von den Verbraucherzentralen im Internet und Fernsehreportagen unterstellt wird, kann ich nicht nachvollziehen.
Das neue Gebührenrecht soll nunmehr dazu beitragen, angeblich erhöhte Gebühren für einfache und standardisierte Dienstleistungen abzuschmettern.
Ich bin jedenfalls gespannt, ob es tatsächlich dazu führen wird, dass Schuldner nunmehr vorbehaltlos auf ein Inkassoschreiben zahlen werden, wenn Höhe der Hauptforderung und Inkassovergütung in einem – vom Gesetzgeber vorgegebenen - angemessenen Verhältnis stehen.
Im Umkehrschluss sehe ich jedenfalls, dass Gläubiger einer geringen Forderung motiviert werden, auch geringfügige unbezahlte Rechnungen in das Inkassoverfahren abzugeben.
Inkasso ist Leidenschaft. Zur Zielerreichung ist der direkte persönliche oder telefonische Kontakt zum Schuldner bedingungslos erforderlich. Hierin liegt die wahre und erfolgreiche Inkassotätigkeit. Dabei darf der Zeitaufwand keine Rolle spielen.
Mit dem neuen Gesetz werden sicherlich viele Inkassodienstleister und Rechtsanwälte in die klassische Forderungsbeitreibung zurückfallen, da der Zeitaufwand aus ihrer Sicht nicht mehr angemessen vergütet wird und auf dem wirtschaftlichen Prüfstand nur eine kurze vorgerichtliche Bearbeitung und eine schnelle Titulierung des Zahlungsanspruches standhält.
Dies wohl dem Motto: „Einer zahlt ja. Wenn nicht der Schuldner, dann sicherlich die Mandantschaft“
Es nützt aber nichts, wen ich bei der Pfändung beim Arbeitgeber oder bei der Bank im 3. Rang stehe.
Dann kann ich sicherlich sofort meine Gebühren abrechnen, aber habe den Vollstreckungssauftrag nicht erfolgreich beendet. Bis tatsächlich Gelder aus einer Pfändung ausgezahlt werden, habe ich mit Ratenzahlungen meistens schon längst eine Vollzahlung erreicht.